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SAP stellt die Prüfungen der Zertifizierungen von bisherigen Multiple‑Choice‑Fragen auf praktische Prüfungen um

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Anfang November 2025 hat SAP überraschenderweiße neue Prüfungsformate für die SAP Berater Zertifizierungen angekündigt und im selben Atemzug die ersten drei Prüfungen direkt umgestellt. Dieses hat zunächst zu Unmut bei den Prüflingen geführt und in klassischen Blogs hagelte es Beschwerden über dieses Vorgehen.

Nachfolgend werde ich kurz auf die Umstellung und die neuen Prüfungsformate eingehen. Ich spare auch nicht die zum Teil berechtigte Kritik auf den klassischen Blogs aus und stelle mein persönliches Fazit auf.

Warum SAP die Prüfungen umstellt

SAP hat angekündigt, das bisherige Multiple‑Choice (MCQ)-Modell der Zertifizierungen zu verlassen und stattdessen praktische, performance‑basierte Prüfungen einzuführen. Der Gedanke dahinter: Statt reinem Faktenwissen soll künftig nachgewiesen werden, dass Kandidierende wirklich in der Lage sind, mit einem SAP‑System zu arbeiten — wie in der realen Projektpraxis.

Statt isolierter Wissensabfragen gibt es also zukünftig Aufgaben, bei denen man (je nach Prüfung) z. B. konfigurieren, Prozesse real abbilden, Code schreiben oder Lösungen planen muss — genau so, wie man es auch im Berufsalltag tun würde.

Dieses neue Prüfungsmodell soll sicherstellen, dass eine Zertifizierung tatsächliche Arbeitsfähigkeit signalisiert — ein Merkmal, das vor allem Arbeitgebern wichtig ist.

Technische Prüfung: System‑basierte und szenario‑/role‑based Assessments — und ihre Herausforderungen

Wie funktionieren die neuen Prüfungen

Es gibt zwei Prüfungstypen: System‑based und Scenario‑based.

Bei den neuen systembasierten Prüfungen müssen Kandidaten innerhalb einer vorgegebenen Zeit konkrete Aufgaben direkt in simulierten SAP‑Systemen erledigen (z. B. konfigurieren, Prozesse anlegen, etc.).

Bei den neuen szenariobasierte Prüfungen wird typischerweise mit einem AI‑Avatar gearbeitet: Man bekommt ein Szenario (z. B. Kunde mit konkreter Problemstellung), muss Lösungsvorschläge erarbeiten, Architekturentscheidungen treffen, Prozesse designen u.a. Alternativ für Prüflinge, die kein AI‑Tool nutzen wollen, gibt es eine Video‑Option zur manuellen Bewertung.

Die Prüfungen sind dabei open book: Man darf während der Prüfung auf Dokumentationen und Hilfsmittel zurückgreifen — genauso wie im echten Arbeitsalltag (z. B. Nutzung des SAP Help Portal, SAP Learning, SAP Joule for Consultants, ggf. weitere Ressourcen).

Bewertung erfolgt anhand konkreter Ergebnisse: z. B. korrekte Systemkonfiguration, vollständige Lösung, sauberes Ergebnis in der Simulation; automatisiert oder per Auswertungsskript — bei Videos alternativ durch manuelle Review.

Technische Schwierigkeiten und Herausforderungen

Die Umstellung auf praktische Prüfungen bringt für SAP sicherlich einige technische und methodische Herausforderungen mit sich — gerade im Umfeld großer, verteilter Weiterbildung & Zertifizierung wie bei SAP:

  1. Simulationsumgebung bereitstellen und stabil betreiben
  • Für system‑based Prüfungen müssen SAP‑Systeme simuliert werden — das bedeutet Infrastruktur, Performance, Zugriffskontrolle, Stabilität. Für viele Kandidaten weltweit.
  • Zudem sind solche Prüfungen zeitgebunden („time‑boxed“) — ein instabiles System, Verzögerungen oder langsame Reaktionen könnten unfair bewerten.
  1. Sprachen und Lokalisierung
  • Laut FAQ sind system‑based Prüfungen derzeit nur in Englisch verfügbar; andere Sprachen sind geplant, aber ggf. noch nicht umgesetzt.
  • Das kann für Anwender mit Deutsch oder anderen Sprachen eine Hürde sein — gerade, wenn sie bisher MCQ‑Prüfungen in ihrer Muttersprache nutzten.
  1. Bewertung der Szenarien‑Prüfungen
  • Scenario‑based Prüfungen, gerade mit AI‑Avatar, müssen gut konzipiert sein, damit sie realistisch und fair bleiben. Die Bewertung der Antworten — gerade wenn kreativ oder vielschichtig — ist schwieriger als bei Multiple‑Choice.
  • Bei Video‑Alternativen kommen Aufwand und Zeit für manuelle Bewertung hinzu — Skalierbarkeit und Konsistenz sind eine Herausforderung.
  1. Technische Anforderungen auf Seiten der Kandidaten
  • Kandidaten müssen ggf. stabile Internetverbindung, ausreichend Rechnerleistung und kompatible Hardware/Browser haben, um Simulationsumgebung und AI‑Tools zu nutzen — insbesondere bei globaler Verteilung der Prüfenden.
  • Für Kandidaten aus Regionen mit schlechter Internet- oder Hardwareausstattung könnte das ein Hindernis sein.
  1. Bereitstellung der passenden Lernumgebungen
  • Um realistische Simulationen zu ermöglichen, muss SAP geeignete Übungs‑/Testumgebungen bereitstellen — idealerweise im Rahmen ihres Lernangebots. Das kann für SAP aufwändig sein.
  • Ebenso müssen Trainingsmaterialien, Tutorials und Learning Paths auf praktische Anwendung und Szenarien ausgelegt sein — nicht nur auf Theoriewissen.

Zeitplan der Umstellung & bisher verfügbare neue Zertifizierungen

  • Der Wandel beginnt ab November 2025. Die ersten praktischen Prüfungen sind seitdem verfügbar.
  • Zunächst betrifft es sechs ausgewählte Zertifizierungen:
    • SAP BTP Administrator
    • SAP Build Developer
    • Solution Architect – SAP BTP
    • SAP Business Data Cloud Associate
    • RISE with SAP Methodology & Experience Associate
    • SAP Generative AI Developer Associate
  • Weitere Zertifizierungen sollen in einer phasenweisen Rollout bis 2026 auf das praktische Format umgestellt werden.
  • Laut offizieller FAQ sollen alle SAP-Zertifizierungen bis Q2 2026 auf das neue, performance‑basierte Format umgestellt sein.
  • Für bestehende Zertifizierte ändert sich zunächst nichts — ihre Zertifikate bleiben gültig; die neuen Prüfungen betreffen primär Erst‑Zertifizierungen.

Kritik, Bedenken und Stimmen aus der Community

In Foren und Community‑Blogs kursieren bereits kritische Einschätzungen:

  • Ein Nutzer schreibt (auf Reddit):

    There are too many ‘certificate dumps’ posts … too many ‘dump’ consultants.— and freut sich, dass SAP jetzt echte Fähigkeiten prüft.

  • Andere kritisieren, dass die neue jährliche Rezertifizierung bzw. die „stay-certified“-Assessments eher Mittel seien, Lizenz‑ bzw. Subscription-Umsätze zu stabilisieren — statt echten Mehrwert zu bringen. In einem Kommentar heißt es etwa:

    This is to ensure you make your yearly donation to SAP to ‘stay current’.

  • Manche sehen die erhöhte technische Hürde kritisch — etwa für Kandidaten mit eingeschränkter Infrastruktur (Internet, Hardware), oder für solche, die eher aus administrativen oder funktionalen Bereichen kommen und weniger mit System‑Administration vertraut sind.
  • Auch wird diskutiert, dass das neue Modell zwar realitätsnäher sei — aber auch mehr Vorbereitung und Zeitaufwand erfordere. Diejenigen, die bisher auf „Wissen merken und Kreuzen“ gesetzt haben, müssten nun echtes Können zeigen, was Druck und Aufwand erhöht.

Wie man sich am besten auf die neuen Prüfungen vorbereitet — besonders mit Blick auf deine Erfahrung als Trainer/Dozent im SAP-Finanzwesen

Als Trainer und Dozent im Bereich SAP Finanzwesen möchte ich dir folgende Empfehlungen für deine Vorbereitung auf die SAP Zertifizierung geben:

  1. Praxisnahe Übungsumgebung nutzen
  • Versuche, mit echten oder simulierten SAP‑Systemen zu arbeiten — nicht nur theoretische Modelle. Richte eine Trainingsinstanz ein (z. B. Sandbox) und übe typische Aufgaben, Konfigurationen, Prozesse.
  • Simuliere realistische Szenarien: z. B. Finanzprozess, Buchung, Reporting, Schnittstellen — je nachdem, auf welchen Bereich sich die Zertifizierung bezieht.
  1. Szenario‑basiertes Denken trainieren
  • Übe das Lösen von Problemstellungen, wie sie im echten Projekt auftauchen könnten — nicht nur „Wie lautet der passende Menüpfad?“, sondern z. B. „Wie gestalte ich einen Prozessablauf? Welche Konfigurationen passen?“.
  • Diskutiere im Team oder mit Kollegen typische Business‑ oder Kundenanforderungen, überlege Lösungskonzepte und skizziere mögliche Umsetzungen.
  1. Ressourcen und Dokumentationen im realen Umfeld nutzen
  • Gewöhne dich daran, Dokumentation (z. B. SAP Help Portal, SAP Learning, offizielle Guides) während der Arbeit bzw. Prüfung zu nutzen — denn die Prüfung ist „open book“. Das heißt: Nicht auswendig lernen, sondern wissen, wie man sich Informationen schnell beschafft und anwenden kann.
  • Falls relevant, nutze auch Tools wie SAP Joule (sofern freigeschaltet) für KI-gestützte Unterstützung — ähnlich wie im echten Job.
  1. Zeitmanagement und Prüfungssimulation üben
  • Da die Prüfungen „time‑boxed“ sind, lohnt es sich, unter Zeitdruck zu üben — z. B. simulierte Prüfungen mit Timer. Versuche, Aufgaben Schritt für Schritt sauber und effizient zu lösen.
  • Nutze deine Erfahrung als Trainer: Entwickle eigene Testfälle, Übungsszenarien oder Mini‑Projekte, die typische Herausforderungen widerspiegeln.
  1. Teilnahme an Trainings & Live‑Sessions
  • Nimm an offiziellen Lernpfaden und Trainings teil — z. B. über SAP Learning Hub, Live‑Sessions oder Blended-Learning‑Angebote. Laut SAP werden ergänzende „Get Certified Live Sessions“ angeboten, die helfen, gezielt auf die neuen Prüfungen vorzubereiten. Einen guten Einstieg zum Thema findest du hier.
  • Gerade mit deiner Erfahrung könntest du auch Kollegen oder Teilnehmer gezielt coachen — mit praxisnahen Übungen und realitätsbezogenen Szenarien, statt reines Theorie‑Lernen.

Einschätzung: Chancen und Risiken der neuen Herangehensweise

  • Vorteile

    • Die neue Prüfungsform reflektiert reale Arbeitsanforderungen viel besser — das schafft mehr Aussagekraft und Vertrauen in Zertifizierungen.
    • Für Arbeitgeber: Höhere Sicherheit, dass ein zertifizierter Kandidat tatsächlich produktiv arbeiten kann.
    • Für Lernende und Consultants: Die Möglichkeit, echte Fähigkeiten zu demonstrieren, nicht nur theoretisches Wissen.
  • Risiken / Herausforderungen

    • Technische Hürden für Kandidaten — je nach Infrastruktur, Sprache, Erfahrung.
    • Höherer Aufwand bei Vorbereitung und Prüfung — mehr Zeit und praktische Praxis nötig.
    • Belastung für SAP und die Community: Bereitstellung von stabilen, global verfügbaren Systemen, Bewertung, Support.
    • Mögliche Ungleichheit zwischen Kandidaten mit guter System‑ und Umgebungsausstattung und solchen, die das nicht haben.

Fazit

Mit der Umstellung auf praktische, performance‑basierte Prüfungen macht SAP einen gewaltigen Schritt: Weg von reiner Theorie und auswendig gelerntem Faktenwissen, hin zu echter Handlungskompetenz und realitätsnahen Szenarien. Für mich als Trainer und Dozent im SAP‑Finanzwesen eröffnet das gleichzeitig große Chancen: Ich muss meine Schulungen so ausrichten, dass Lernende nicht nur Wissen aufnehmen, sondern echte Arbeitskompetenz erwerben.

Gleichzeitig verlangt das neue Modell mehr Vorbereitung, tieferes Verständnis, Praxisnähe und gute Infrastruktur — sowohl bei SAP als auch bei den Kandidaten. Wer sich gut vorbereitet, systematisch übt und die Lernressourcen clever nutzt, kann mit den neuen Zertifizierungen künftig wahrscheinlich besser im Markt positioniert sein.

Ich stehe dir gerne zur Verfügung. Hier findest du mein Angebot zur Zusammenarbeit